Wie wir lernen!

Montag, 10. Januar 2005

Wie wir das Lernen lernen!

Unser Gehirn

In unserem Kopf befindet sich eine ganze Galaxie. Wir haben mehr Nervenzellen als es Sterne in der Milchstraße gibt - 100 Milliarden. Jede einzelne Nervenzelle ist mit tausenden anderer Zellen verbunden. Nur wenige dieser Zellkontakte müssen für einen Lernvorgang verstärkt werden.
Wenn wir beispielsweise Vokabeln ständig wiederholen, werden immer wieder dieselben Nervenzellen gereizt. An den Kontaktstellen kommen dabei immer mehr Impulse an. Dadurch verändert sich die Verbindung zwischen den Zellen.
Mehr Botenstoffe wandern vom einen Ende zum anderen.
Kanäle gehen auf und die Empfängerzelle wird dadurch aktiviert. Dieser Prozess verstärkt sich immer mehr.
Bis die Verbindung zwischen den Zellen enger und intensiver geworden ist. Nervenimpulse können so viel effektiver übertragen werden. Die Information ist im Nervennetz unseres Gedächtnisses abgespeichert, wir haben sie erlernt und können sie nun leichter abrufen.

Das Gehirn als Konstruktionsmeister

Was sehen Sie auf diesem Bild?
mannmaus

Bevor Sie sagen können, was in diesem Bild dargestellt ist, müssen Sie bereits einige Interpretationsleistungen vollbracht haben. Es wurden nämlich absichtlich viele Einzelheiten weggelassen. Um dem Bild trotzdem einen Sinn zu geben, nutzen wir unser Vorwissen: "Wo haben wir schon mal Ähnliches gesehen?".
Nun sind in diesem Bild aber zwei Möglichkeiten "versteckt": Einige Betrachter sehen einen alten Mann mit Glatze, andere hingegen eine Maus. Hat man jedoch erst mal eine dieser Lösungen gefunden, fällt es schwerer, auch noch die andere zu erkennen. Es besteht die Neigung, an der einmal gefundenen Interpretation festzuhalten. Unser Vorwissen kann uns also sehr leicht dabei hindern, etwas Neues zu lernen.
Was hat das nun mit dem Lernen in der Schule zu tun? Das Experiment zeigt, wie sehr das Bemühen nach einer alternativen Deutung nachlässt, wenn man bereits eine (für sich zufriedenstellende) gefunden hat. Übertragen auf den Unterricht bedeutet das, dass Schüler an ihren eigenen Erklärungen (etwa für Alltagsphänomene) sehr stark festhalten. Selbst wenn der Lehrer auf das falsche Verständnis hinweist, muss das nicht bedeuten, dass der Schüler sein Vorwissen "aufgibt" und die Version des Lehrer annimmt!
Das wusste übrigens schon Platon (427-348/47 v.u.Z.) vor weit mehr als 2000 Jahren: "Wenn einem Menschen bereits bekannt ist, was er lernen soll, gibt es keinen Grund, es noch zu lernen."
Lernen in der Schule
Fragen Sie sich manchmal auch, warum Sie das in der Schule Gelernte immer so schnell wieder vergessen haben? Oder haben Sie auch schon mal pauschal gesagt, "Physik, das verstehe ich nicht?" Keine Sorge; damit stehen Sie nicht alleine da.
Unterricht - so wie er weitgehend auch heute noch in den Schulen stattfindet - entspricht den Vorstellungen von Wissenschaftlern, die in den 60er Jahren einen großen Einfluss auf das Lernen in der Schule hatten. Man ging damals davon aus, dass ein fleißiger Schüler all das lernen könne, was ihm der Lehrer (natürlich didaktisch angemessen!) darbietet. Das Lernen wurde also als eine weitgehend passive Tätigkeit angesehen.
Aber schon der bekannte schweizerische Entwicklungspsychologe Jean Piaget (1896- 1980) hatte herausgefunden, dass Lerner sehr aktiv sind, wenn sie Informationen aufnehmen und verarbeiten. Aktivität beim Lernen bedeutet, dass Schüler neue Informationen aktiv mit ihrem bereits vorhandenen Wissen (so genanntem Vorwissen) in Verbindung setzen. Das heißt, sie interpretieren ständig die vom Lehrer dargebotenen Informationen. Das geschieht meist so, dass sich diese neuen Informationen in das jeweilige Vorwissen einpassen. Schüler konstruieren also neues Wissen auf der Basis ihres Vorwissens; und zwar so, dass sich das neu "Erlernte" dem eigenen Wissen möglichst nicht widerspricht. Wie stark dieser "Konstruktionsdrang" ist und welche fatalen Auswirkungen er haben kann, zeigen wir Ihnen am Beispiel einer Unterrichtsstunde in Sachkunde. Vorher sollten Sie aber noch selber einen kurzen Test machen.
Vermutlich ist es genau dieser - häufig missachtete - Aspekt des Lernens, der eine Antwort auf die eingangs gestellten Fragen nach dem schnellen Vergessen ermöglicht: Wenn ich etwas nicht richtig verstehe, lerne ich es zwar vielleicht noch für die nächste Prüfung auswendig. Aber direkt danach kann ich es ja "vergessen".
Eine Gesellschaft, die händeringend nach Physikern, Informatikern und Ingenieuren sucht, sollte also bei der Ausbildung ihrer Lehrer und Hochschuldozenten ansetzen. Eine Verdoppelung der Stundenzahl in technisch- naturwissenschaftlichen Fächern oder ähnliche (auf den ersten Blick plausible) Forderungen werden das Problem sicherlich nicht lösen.

Lernen im Alltag
Lernen findet in irgendeiner Form bei den meisten Tierarten statt. Im Laufe der Evolution haben sich je nach der Entwicklungsstufe unterschiedliche Lernformen auf die einzelnen Arten vereinigt. Die Verhaltensforscher unterscheiden diese Formen je nach der Komplexität von der Erfassung eines Problems bis hin zu seiner Lösung. Während die einfacheren Formen des Lernens auch bei den Tieren auftreten, vereinigt der Mensch als höchst entwickeltes Lebewesen alle bekannten Lernformen auf sich. Da Lernen zeitlich unbegrenzt das ganze Leben über stattfindet, sind auch in unserem Alltag mehr Lernsituationen bzw. Verhaltensweisen, die erlernt wurden (Lernergebnis) versteckt, als man sich vielleicht vorstellt. Hier einige Beispiele (in aufsteigender Reihenfolge der Lernleistung).
1. Die Habituation oder Gewöhnung. Dies ist der einfachste bekannte Lernprozess. Zwar spüren wir einen ständigen Reiz, doch dringt er nicht mehr bewusst zu uns durch. Wir lernen zu ignorieren. Zum Beispiel spüren wir irgendwann unsere Kleidung oder sogar einen kratzigen Pulli nicht mehr. Auch an Geräusche wie das Ticken eines Weckers oder den Lärm einer Straße können wir uns so gewöhnen, dass wir sie bewusst nicht mehr wahrnehmen.
2. Die operante Konditionierung oder Lernen durch Erfolg. Warum sollte man einfach Geld in einen Automaten werfen? Also wegschmeißen? Die Antwort ist einfach. Wir Lernen durch Erfolg. Wir haben gelernt, dass wir nach dem Geldeinwurf meistens einen entsprechenden Gegenwert erhalten. Gleiches Lernprinzip gilt bei der roten Ampel, bei der wir stehen bleiben, oder ein Toaster, der zum Beispiel die Toasts im hohen Bogen auswirft und wir nur noch prophylaktisch die Hand über dem Auswurfschlitz halten.
3. Lernen durch Versuch und Irrtum. Wir probieren Dinge einfach aus. Dieser Lernprozess zeigt uns in der Regel sehr schnell, ob wir auf dem Holzweg sind. Ob wir nun ein Ikearegal ohne Anleitung zusammenbauen oder ein Puzzle zusammen setzen. Wenn das Ergebnis mit unserem Ziel nicht im Einklang steht, lernen wir, dass wir uns in der Lösung geirrt haben.
4. Lernen durch Nachahmung. Stellen Sie sich vor, sie stehen in der Öffentlichkeit vor einer neuen Situtation und wissen, dass sie auffallen könnten, weil sie eventuell etwas falsch machen. Am einfachsten ist es dann doch, sich dezent in den Hintergrund zu stellen und routinierteren Menschen den Vortritt zu lassen. Typische Situtationen: Der Besuch einer neuen Kantine oder Mensa: Wo muss man sich anstellen? Oder Wo bekomme ich wie viele Beilagen für mein Gericht? Auch bei einem noch unbekannten Automaten, kann man erst einmal bequem beobachten, bevor man sich ran traut, ohne stundenlang das Gerät aus lauter Unkenntnis zu blockieren.
5. Lernen durch Einsicht. Ein schon sehr weit entwickelter Lernprozess, der neben dem Mensch nur noch von Affen beherrscht wird. Wir können eine komplizierte Situation durchschauen und den Sachverhalt abstrahieren, um schließlich eine passende Lösung für ein Problem zu erzielen. Nach dem Erfassen der Situation finden wir also die richtige Lösung, ohne einen Fehlversuch. Beispielsweise gelingt es uns ein sehr einfaches Ikearegal mit wenigen Teilen auch ohne Anleitung auf Anhieb richtig zusammen zu bauen, ohne das ein Teil übrig bleibt. Wir öffnen uns noch unbekannte Verpackungen oder gehen durch ein Kuhgatter, das den Wanderweg blockiert.
6. Lernen durch Traditionsbildung oder Informationsweitergabe. Hier erleichtert uns, die Fähigkeit zu sprechen, abstrakte Lernprozesse gezielt weiterzugeben. Neben uns sind dazu nur noch Bienen in der Lage. Sie können den Mitgliedern ihres Volkes durch bestimmte Hinterleibsbewegungen die genaue Lage von Futterpflanzen mitteilen. Menschen fragen zum Beispiel nach dem Weg und können dadurch eine zum Ziel führende Antwort bekommen. Traditionsbildung heißt aber auch: Köpfen sie die gekochten Eier in ihrer Familie oder schlagen sie sie auf? Vielleicht machen sie alle nur das eine, obwohl eine sinnvolle zweite Alternative vorhanden wäre. Sie nutzen die Alternative, die sie kennen. Das Gleiche gilt für ihren Musikgeschmack. Asiatische Musik klingt den meisten von uns in den westlichen Nationen, eher fremd im Ohr. Man bleibt beim "Altbewährtem".

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